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Auslandsaufenthalte/Reisen Franz Josef Strauß DDR

Franz Josef Strauß in Weimar im Juli 1983

ACSP; ACSP, NL Strauß Slg Kray Fotoalben 43-49

Der Milliardenkredit

Am 24. Juli 1983 besuchte Franz Josef Strauß - offiziell ganz privat - Erich Honecker in dessen Jagdschloss am Werbellinsee nördlich von Berlin. Vorrausgegangen war diesem Ereignis die Vermittlung des Kredits eines westdeutschen Bankenkonsortiums an die DDR von einer Milliarde Deutsche Mark durch Franz Josef Strauß. 

Im Frühjahr 1983 hatten vertrauliche Gespräche zwischen Alexander Schalck-Golodkowski, Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel der DDR, und Strauß in Bayern stattgefunden. Die wirtschaftliche Lage in der DDR war prekär, durch den Kredit aus dem Westen sollte ein Staatsbankrott des kommunistischen Nachbarn mit harten Einschnitten für die ostdeutsche Bevölkerung abgewendet werden. In die Geheimverhandlungen war außer Bundeskanzler Kohl nur ein überschaubarer Personenkreis eingebunden. Nicht ohne Genugtuung konnte Strauß nach Bekanntgabe des vor dem Abschluss stehenden Kreditvertrages der völlig überraschten westdeutschen Öffentlichkeit verkünden: „Bundesminister Genscher hat mit der ganzen Angelegenheit nicht mehr zu tun, als daß er im Kabinett seine Zustimmung erklären ließ“ (Bayernkurier vom 16.7.1983, S.1).

In der Folge musste der bayerische Ministerpräsident wieder und wieder erklären, dass „kein Pfennig Zinssubvention, kein Pfennig Risiko, kein Pfennig Haftung des Bundes, ein rein kommerzieller Kredit mit einer hundertprozentigen Absicherung durch Abtretung von Forderungen“ (Interview ZDF-Magazin, 27.7.1983) bestand und es sich nicht um einen Kredit aus dem Bundeshaushalt, sondern um den Kredit eines westdeutschen Bankenkonsortiums an die Ost-Berliner Deutsche Außenhandelsbank handelte. Politische Zugeständnisse der Führung der DDR in schriftlicher Form lagen nicht vor. Offiziell waren an den Kredit keine Bedingungen geknüpft.

Marianne und Franz Josef Strauß in Dresden im Juli 1983

ACSP; ACSP, NL Strauß Slg Kray Fotoalben 43-8

In der öffentlichen Diskussion wurde Strauß eine Abwendung von seinen Prinzipien in der Deutschlandpolitik vorgeworfen. Auch seine eigene Partei, die CSU, strafte ihren Vorsitzenden auf dem unmittelbar auf die Bekanntgabe folgenden Parteitag am 16. Juli 1983 bei der Wiederwahl mit einem Ergebnis von nur 77 % ab. Üblich waren Ergebnisse jenseits der 90 %-Marke.

Franz Josef Strauß verteidigte seine Verhandlungen und die sich daran anschließende Privatreise in die DDR vehement und bestritt eine Abwendung von seinen Prinzipien: „Ich denke nicht daran, etwa zugunsten einer besseren Atmosphäre den Gedanken der deutschen Einheit preiszugeben. Wir sind in den großen Zielen unserer Ost- und Deutschlandpolitik unveränderlich geblieben. […] Aber über die Methoden und Mittel, mit denen man bei Unlösbarkeit der Grundprobleme pragmatische Fragen löst, kann man reden“ (Interview ZDF-Magazin, 27.7.1983).

In der Folge baute die DDR bis Ende 1984 Teile der Selbstschussanlagen ab, der Grenzverkehr für westdeutsche Besucher wurde erleichtert und der Zwangsumtausch für Rentner und Invaliden herabgesetzt. In den folgenden Jahren fanden weitere Gespräche zwischen Strauß und Schalck-Golodkowski statt, diverse weitere Kredite wurden ausgehandelt. Mit den in die DDR verliehenen Milliarden wurde wiederum im Westen, zum Beispiel bei Airbus und MAN, eingekauft.

Jahr Datum
1983 23.07.-27.07
1984 11.03.
1985 01.09.
1987 15.03.

Franz Josef Strauß: Tatsachen über einen Kredit, Bayernkurier vom 16.07.1983

Bayernkurier; ACSP; ACSP, Z-BK 1983-28

"Ich hör' aber hier noch nichts gluckern!" Karikatur von Herbert Kolfhaus zum Milliardenkredit

Herbert Kolfhaus; ACSP; ACSP, NL Kolfhaus Herbert 1983-7-4

Vom Überwinden der Mauer - Bayerische Lebensbilder Band 3

Personen der bayerischen Zeit- und Landesgeschichte, Politiker der Landes- und Bundespolitik, Vertreter der Parteien, hohe Beamte, kommunale Spitzenvertreter, einflussreiche Repräsentanten der Kirchen, der Wirtschaft und des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens, werden in der Reihe "Bayerische Lebensbilder" vorgestellt. In ausführlichen Zeitzeugenberichten und kompakten biographischen Porträts werden im dritten Band dieser Reihe Leben und Wirken von Wilhelm Knittel, viele Jahre Büroleiter von Franz Josef Strauß, Amtschef im bayerischen Justizministerium und Beamteter Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, sowie von Heinrich Aigner, ehemaliger Europaabgeordneter und Initiator des Europäischen Rechnungshofes, dargestellt.
Anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls greift Band 3 unter dem Motto "Vom Überwinden der Mauer" mit dem Milliardenkredit zudem ein spektakuläres Ereignis der deutschen Nachkriegsgeschichte auf. Der 1983 vom Bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß an die DDR vermittelte Milliardenkredit und seine anschließende Reise in die DDR schlugen in der überraschten Öffentlichkeit wie eine Bombe ein. Hatte er sich schon früher durch persönliche Intervention für zahlreiche inhaftierte DDR-Bürger eingesetzt, so erreichten ihn seit dem Sommer 1983 tausende von Hilfsgesuchen um Unterstützung der Ausreisebemühungen. Der aktuelle Forschungsstand zum Milliardenkredit, die Dokumentation der Kreditvergabe wie der DDR-Reise von Strauß und das Schicksal zweier ausreisewilliger DDR-Bürgerinnen und ihrer Familien werden in Beiträgen,aussagekräftigen Erinnerungen und Quelleneditionen beleuchtet

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