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Die Göttinger Erklärung

Die Erforschung und Nutzung der Kernkraft gewann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg national und international an Bedeutung. Bestand zwischen Wissenschaft und Politik noch Konsens darüber, in ihr einen zukunftsorientierten Wissenschaftsbereich und eine Alternative zu traditionellen Energieträgern wie Kohle und Wasserkraft zu sehen, so nahm die Wissenschaft hinsichtlich des Einsatzes dieser Technologie für militärische Zwecke eine wesentlich kritischere Haltung ein. Ansprechpartner auf Seiten der Politik war neben Bundeskanzler Adenauer auch Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, der in seiner Amtszeit als Bundesminister für Atomfragen, 1955- 1956, mit dem sogenannten "Drei-Stufen Plan" im zivilen Bereich ein erstes deutsches Atomprogramm vorgelegt hatte.

Die Sorge um eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr gipfelte schließlich in der am 12. April 1957 von achtzehn Atomwissenschaftlern unterzeichneten "Göttinger Erklärung". In der Einleitung des auch als "Göttinger Manifest" bezeichneten Dokuments, beziehen sich die Unterzeichner ausdrücklich auf intern an zuständige Bundesminister gerichtete Appelle und begründen ihren jetzigen Aufruf gegen eine nukleare Bewaffnung der Streitkräfte mit den über dieses Thema öffentlich geführten Diskussionen. Der auch von den Wissenschaftlern formulierte Protest gegen Aufrüstung und Atombewaffnung führte schließlich zu dem von der SPD 1958 gegründeten Komitee "Kampf dem Atomtod" den nach britischem Vorbild seit den sechziger Jahren durchgeführten Ostermärschen und der in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sich formierenden Friedensbewegung.

Ein Hinweis auf den über die Gefahren atomarer Rüstung im Vorfeld geführten Dialog ergibt sich aus einem an Verteidigungsminister Franz Josef Strauß am 19. November 1956 gerichteten Schreiben. In ihm warnen vierzehn Wissenschaftler eindringlich vor den Gefahren einer Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. Aus einer Randbemerkung dieses Schreibens ergibt sich, dass der Minister in einer mündlichen Besprechung versuchte, die auf geworfenen Fragen mit den Beteiligten vorläufig zu klären. Dass diese Erklärung jedoch für einige der Wissenschaftler nicht ausreichend war, ergibt sich dann aus dem am 12. April 1957 abgefassten Dokument. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass drei der Unterzeichner des Schreibens vom 19. November 1956, nämlich Walther Bothe, Wolfgang Genter und Willibald Jenschke, nicht zu den Unterzeichnern der "Göttinger Erklärung" gehören

Erste Seite des Schreibens vom 19. November 1956 mit der persönlichen Randbemerkung von Franz Josef Strauß

ACSP; ACSP, NL Strauß BMVg 112

Zweite Seite des Schreibens vom 19. November 1956

ACSP; ACSP, NL Strauß BMVg 112

Dritte Seite des Schreibens vom 19. November 1956 mit den Unterschriften der vierzehn Atomwissenschaftler

ACSP; ACSP, NL Strauß BMVg 112